Ein bisschen was hat der Lateinunterricht in der Schule doch gebracht. Zum Beispiel erinnere ich mich noch an das lateinische Verb concurrere, das so viel wie aufeinanderrennen bedeutet. Es ist der schöne Wortursprung des hässlichen Wortes Konkurrenz. Das Bild dazu beschreibt recht treffend, wie Wettbewerb leider häufig aussieht:
Wir rennen aufeinander los und schlagen uns die Köpfe ein.
Dieses Konkurrenz-Denken ist tief in unserer Gesellschaft verankert. Schon Kleinkinder werden auf den späteren Konkurrenzkampf im Leben vorbereitet. In uns allen steckt die Angst, andere könnten uns ausstechen, weil sie ehrgeiziger, talentierter oder besser vorbereitet sind – und uns so den verdienten Erfolg vor der Nase wegschnappen.
Warum haben wir so viel Angst vor Konkurrenz?
Hattest du auch schon einmal eine tolle Idee für etwas Neues? Und warst enttäuscht, als du sie gegoogelt hattest und feststellen musstest, dass andere deine neue Idee schon längst umgesetzt haben?
Mir ist es schon oft so gegangen. Dabei sollte es nicht so sein. Die Tatsache, dass es Konkurrenz gibt, ist eigentlich eine gute Nachricht:
Konkurrenz bedeutet, dass die Idee gut ist.
Andere haben sie bereits erfolgreich umgesetzt. Das ist doch ein positives Signal! Trotzdem sind wir vom Gedanken an Konkurrenz eingeschüchtert und entmutigt:
- Die Konkurrenten haben ihren Claim längst abgesteckt.
- Sie werden sicher keinen neuen Wettbewerber tolerieren.
- Welche Chancen hast du schon gegen große, mächtige Wettbewerber?
- Der Markt ist vermutlich sowieso schon gesättigt.
Eigentlich kannst du jetzt bereits einpacken. Viele tun das und suchen nach einer neuen Idee. Eine, die noch es noch nicht gibt und die auf jungfräuliche, fruchtbare Erde fällt. Manch einem gelingt das sogar. (Falls nicht, habe ich eine gute Nachricht: Du musst das Rad nicht neu erfinden)
Doch auch dann fährt die Angst vor der Konkurrenz ständig mit: Jemand könnte dir zuvorkommen und deine Geschäftsidee stehlen. Spätestens wenn du mit deiner neuen Geschäftsidee erfolgreich bist, werden die ersten Nachahmer kommen, die dir Konkurrenz machen.
Niemand will Konkurrenz. Konkurrenz ist scheiße!
Oder?
Stell dir vor, es gäbe keine Konkurrenz
Niemals und nirgens. Eine neue Partei für den Schutz des Urheberrechts hat die Macht übernommen und setzt durch, dass geistiges Eigentum fortan unbegrenzt geschützt werden muss. Sämtliche Nachahmer-Produkte der letzten 100 Jahre werden zudem verboten.
Hurra! Niemand kann dir deine Geschäftsidee mehr stehlen! Fortan wirst du als einziger Anbieter ganz allein den Markt beherrschen.
Findest du diesen Gedanken erstrebenswert oder beschleicht dich bereits ein mulmiges Gefühl, wohin das führt? Lass uns die Idee mal weiterspinnen: Du hast also eine neuartige Geschäftsidee gefunden und möchtest damit ein Unternehmen gründen.
Was passiert, wenn es keine Konkurrenz mehr gibt?
Ohne Konkurrenz kannst du dich an niemandem mehr orientieren
Das Erste, das dir fehlen wird, ist die Orientierung. Deine Konkurrenz ist ein wunderbares Vorbild. Sie zeigt dir, was am Markt funktioniert und was nicht. Du kannst die Erfahrungen deines Wettbewerbs nutzen, um die Wünsche deiner Kunden zu erfahren, deine Zielgruppe näher zu bestimmen und ein marktfähiges Produkt zu entwickeln.
Nicht, indem du einfach nur kopierst. Sondern indem du deine ganz persönliche Positionierung auf dem Markt suchst, aus den Fehlern deiner Konkurrenten lernst und bessere Lösungen für deine Kunden entwickelst.
Doch all das fehlt dir jetzt, denn die Konkurrenz wurde ja verboten. Du musst all diese Erfahrungen selbst machen.
Keine Konkurrenz heißt keine Chance für Kooperationen
Wettbewerb ist nur dann schädlich für dich, wenn zu viele Anbieter mit vollkommen austauschbaren Produkten am Markt sind. Dann ist der Preis die einzige Möglichkeit, sich von der Konkurrenz abzuheben. Leider ist der Preis das schlechteste Alleinstellungsmerkmal.
Wettbewerber mit unterschiedlichem Spezialgebiet können sich hingegen hervorragend ergänzen. Warum solltest du dich nicht mit anderen zusammentun, um neue Leistungen, eine bessere Betreuung oder neue Entwicklungen gemeinsam zu realisieren?
Gerade kleine Unternehmen sollten sich viel öfter Gedanken machen, wie sie zusammen stärker sein können, als die Summe ihrer Leistungen. Wenn sich alle nur bekriegen, bleibt am Ende wirklich nur noch irgendein Konzern übrig, der alles beherrscht.
Keine Konkurrenz bedeutet keine Lobby
Und damit meine ich jetzt nicht die Sorte Lobbyisten, die Politiker beeinflussen, damit Konzerne weiter überholte Geschäftsmodelle pflegen können. Ich meine keine Lobby beim Kunden.
Deine Konkurrenz möchte dieselben Kunden gewinnen wie du? Das ist durchaus ärgerlich. Aber immerhin machen sie Werbung für dieselbe Sache. Dadurch helfen sie auch dir, den Bedarf zu wecken und die Akzeptanz für das Produkt zu steigern.
Diese Leistung solltest du nicht unterschätzen. Stell dir vor, du wolltest einen Online-Shop, aber es gäbe kein Amazon, kein Zalando und Co, die das Einkaufen im Internet bereits zum Alltag gemacht haben.
Ohne Konkurrenz fehlt dir der Antrieb zur Entwicklung
Konkurrenz belebt das Geschäft heißt es. Unternehmer sehen das meist kritisch, weil sie mit Konkurrenz oft Preiskampf verbinden. Aus Sicht des Kunden hui, für das Geschäft pfui.
Doch Wettbewerb spornt auch an, immer neue, bessere Ideen zu entwickeln und umzusetzen. Nur wenn du handfeste Vorteile aufweisen kannst, kommst du um einen ruinösen Preiskampf herum. Wenn dir der Staat jedoch ein lebenslanges Monopol garantiert, wieso solltest du dann an deinem Produkt noch irgendetwas verändern? Du entwickelst es so weit weiter, bis es gut beim Kunden ankommt – und machst dann nur noch kleine Schritte, um vielleicht noch ein paar Kunden mehr einzusammeln oder um den Ärger der Kunden zu besänftigen.
Wobei, was sollte dich der Kunde interessieren? Er hat ja eh keine Wahl.
(Siehe auch: Warum Unternehmen Kunden verlieren)
Keine Konkurrenz bedeutet Stillstand
Diese Trägheit würde aber nicht nur deine Branche betreffen, sondern alle. Der gesamte Fortschritt würde weitgehend zum Stillstand kommen. Na und, könnte man sagen, uns geht es doch gut? Brauchen wir überhaupt noch mehr Fortschritt?
Die Frage ist berechtigt. Ich kann die nächsten Jahre gut ohne ein neues Smartphone auskommen. Und mein Auto tut es auch noch eine ganze Weile. Doch vielleicht erinnerst du dich? Die Regierung hat ja auch die Plagiate der letzten 100 Jahre einkassiert.
Dein schickes Smartphone müsstest du gegen einen alten Knochen von Motorola eintauschen. Du würdest dich wieder mit einem 28k Modem ins Internet einwählen, um diesen Blog-Artikel zu lesen. Und dein Auto wäre kein aerodynamischer Flitzer, sondern würde in etwa so aussehen:
Ich bin kein Hellseher und weiß nicht, welche Errungenschaften uns in den nächsten Jahrzehnten noch bevorstehen. Doch es reicht, sich allein den Fortschritt der letzten 20 Jahre vor Augen zu führen. Wenn ich mir überlege, wie viele kleine Alltagsprobleme und globale Herausforderungen noch vor uns liegen, glaube ich nicht, dass wir auf weiteren Fortschritt verzichten können.
Wie solltest du also mit der Konkurrenz umgehen?
Tatsache ist, dass du die Konkurrenz nicht umgehen kannst. Du kannst nur mit Konkurrenz umzugehen lernen. Und vielleicht hat mein Gedankenspiel dazu beigetragen, dass du sie in Zukunft in einem besseren Licht siehst.
Der Tatsache, dass es überhaupt Konkurrenz gibt, hast du viel zu verdanken. Und deine persönliche Konkurrenz ist ein wichtiger Impulsgeber für dein Unternehmen. Natürlich kann sie dir auch schaden – aber vor allem dann, wenn du dich zu sehr auf sie fokussierst und in sie hineinrennst.
Stattdessen kannst du die Erfahrungen deiner Konkurrenz nutzen, um deinen eigenen Kurs zu finden. Und dann ist es besser, deinen Kurs zu halten und dein Unternehmen voranzubringen, statt deinem Wettbewerb nachzueifern.
Wir brauchen einander. Auch wenn manche von uns Konkurrenten sind.
Lass uns die Welt verändern!
Quellen und Inspirationsgeber:
Konkurrenz belebt das Geschäft (lexoffice.de)
Wie wir mit Konkurrenz umgehen sollten (Benjamin Michels)
Wie wir mit Konkurrenz umgehen sollten (von Sidepreneur Michael)
Bloß nicht die Konkurrenz überschätzen (Gründerszene.de)
2 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort
Sehr schöner Artikel! Auch sehr gut belegt. Selten, dass ich Kommentare und Bewertungen schreibe, aber echt gut gemacht! 🙂
Danke dir für das Kompliment – und dass du dafür eine Ausnahme gemacht hast! 🙂