Keynote-Speaker Roman Kmenta über Einkommen in der Selbständigkeit
Sebastian ist Webdesigner und hat es satt für wenig Geld viele Stunden pro Woche als Angestellter zu arbeiten. „Mach Dich doch selbstständig!“ rät ihm ein guter Freund. Da bist Du Dein eigener Herr und verdienst viel mehr. 80 oder sogar 100 € pro Stunde wären da drin, soviel er wisse. „Aber da hast Du natürlich auch mehr Risiko!“
Doch ist das tatsächlich so? Verdient man in der Selbstständigkeit tatsächlich mehr, als ein Angestellter? Und ist das Risiko tatsächlich so viel größer? Mit dieser Frage beschäftigt sich eine Studie des Deutschen Institutes für Wirtschaftsforschung DIW.
Das Einkommen in der Selbstständigkeit
Die wesentlichsten Erkenntnisse aus dieser Studie sind
- Im Einkommensbereich bis ca. € 2.200 netto dominieren die Angestellten. Wenn man also einfach nur genug zum Leben verdienen will, ist man als Angestellter besser dran, als in der Selbstständigkeit.
- Bei Einkommen über ca. € 2.200 ist die Anzahl der Personen in der Selbstständigkeit deutlich höher. D.h. die Chancen auf hohe Einkommen sind in der Selbstständigkeit größer.
- Bei den höheren Einkommen über € 2.200 ist die Gruppe der Selbstständigen mit Beschäftigten am stärksten. Diese Art der Selbstständigkeit bringt ein ca. doppelt so hohes Durchschnittseinkommen wie die Solo Selbstständigkeit. Delegation erhöht das Einkommen dramatisch (Lesen Sie dazu den Beitrag: Wie verschwenden Sie Ihre Zeit am liebsten?).
- Das Alter, die Dauer der Selbstständigkeit, das Bildungsniveau und die geleistete Arbeitszeit wirken sich positiv aus, oder anders gesagt: Erfahrung, Durchhaltevermögen, Know How und Fleiß zahlen sich aus. Bilden Sie sich also weiter und bleiben Sie dran.
- Die Streuung der Einkommen (von sehr niedrig bis sehr hoch) ist bei Selbstständigen größer als bei Angestellten. Das bedeutet, dass das Risiko weniger als ein Angestellter zu verdienen in der Selbstständigkeit höher ist. Aber auch die Chance deutlich mehr zu verdienen.
- Die Einkommen in der Selbstständigkeit sind in gewissen Bereichen sehr gut. Der Durchschnitt der Bevölkerung denkt allerdings oft, dass Selbstständigkeit fast automatisch hohes Einkommen bedeutet und das ist falsch.
- In der Selbstständigkeit ist das Einkommen direkter vom Selbstständigen beeinflussbar, als in einem angestellten Dienstverhältnis.
Weitere Details und statistische Auswertungen können Sie in der Studie nachlesen.
Ein Gedanke zum Risiko in der Selbstständigkeit
Wenn man nur das Durchschnittseinkommen von Menschen in der Selbstständigkeit im Vergleich zu Angestellten betrachtet, dann scheint das Risiko in der Selbstständigkeit höher zu sein. Dabei sollten Sie allerdings nicht außer Acht lassen, dass Sie als Angestellter ein 0 / 100 Risiko tragen. Sie haben nur einen Kunden (100), Ihren Arbeitgeber. Wenn Sie diesen verlieren, weil er Sie kündigt, dann haben sie keinen mehr (0).
In den meisten Fällen der Selbstständigkeit allerdings, gibt es mehrere bis (sehr) viele Kunden. Welche zu verlieren ist natürlich schmerzhaft, aber es bleiben immer noch welche übrig.
Darüber hinaus hängt das Risiko sehr stark von der Art der Selbstständigkeit mit all ihren Rahmenbedingungen, wie Investitionsbedarf, Mitarbeiteranzahl, etc. ab.
Die verbreitetsten Hindernisse für höheres Einkommen in der Selbstständigkeit
Die Frage, die sich oft stellt ist: Warum verdienen Selbstständige teilweise sehr wenig und manche aber auch extrem viel? Teilweise sind die Faktoren ja in der Studie schon zu Tage getreten. Doch es gibt weitere aus meiner Erfahrung, die in der Studie nicht aufscheinen. Die Top 5 (zusätzlich zu den oben genannten) sind aus meiner Sicht:
- Mangelnde Verkaufsfähigkeiten
Verkaufen hat keinen guten Ruf. Und weil es ein schlechtes Image hat, wird es von vielen gemieden. Es wird oft mit „Keilen“ gleichgesetzt. Dabei ist Verkaufen eine der wesentlichsten grundlegenden Fähigkeiten überhaupt, um im (Wirtschafts-) Leben erfolgreich zu sein. - Schwacher Selbstwert
Es ist erstaunlich wie viele Menschen einen schwach ausgeprägten Selbstwert haben. Gerade bei Dienstleistern, die Ihre Dienstleistung selbst erbringen führt das oft dazu, dass zu niedrige Preise verlangt werden, weil der Selbstwert den Preis bestimmt. - Kein Marketing Know-How
Neben den Verkaufsfähigkeiten ist Marketing Know How ein zweiter grundlegend wichtiger Erfolgsfaktor. Viele Selbstständige interessiert Marketing einfach nicht. Sie sind so sehr auf Ihr Fachgebiet fokussiert, dass sie meinen es sei ausreichend fachlich gut zu sein. Ist es aber nicht. - Schwaches Pricing
Viele Selbstständige nutzen die Potenziale, die Preise bieten nicht aus. Ob ein Masseur € 53 oder € 59 für die Stunde verlangt ist für nahezu alle Kunden egal, weil die Preiselastizität innerhalb dieser Preisgrenzen niedrig ist. Doch wir sprechen hier von einer Differenz von mehr als 10 % oder bei nur 3 Arbeitsstunden pro Tag von € 4.000 pro Jahr. Noch schlimmer: viele verlangen von Grund auf zu wenig, was wieder mit dem Selbstwert zu tun hat. - Zu viel operative Tätigkeit
Gerade selbstständige Fachleute tendieren dazu zu viel in der Firma und zu wenig an der Firma zu arbeiten. So kommen Sie nie in den Bereich, der in der Studie als „Selbstständige mit Beschäftigten“ bezeichnet wird, die ja laut Studie ca. doppelt so viel verdienen wie die Solo Selbstständigen.
Nur des Geldes wegen in die Selbstständigkeit?
Auch, wenn es in dieser Studie um das Einkommen geht, wäre es aus meiner Sicht ein schwerer Fehler ausschließlich des Geldes wegen den Schritt in die Selbstständigkeit zu tun. Aus meiner Erfahrung von inzwischen beinahe 15 Jahren als Unternehmer weiß ich, dass allein die Aussicht auf höheres Einkommen nicht reicht, um uns die Motivation und das Durchhaltevermögen zu geben, das man in der Selbstständigkeit Tag für Tag benötigt.
Die Grundlage muss sein, etwas zu machen, was Sie gerne machen, denn dann machen Sie es auch mit Energie und ausdauernd. Das Geld folgt dann nach. Nicht immer, aber immer wieder. Viel Erfolg dabei.
Besonders freue ich mich über Kommentare zu Erfahrungen und Sichtweisen zum Thema Preisdurchsetzung aus Ihrer Führungspraxis.
Ihr
Roman Kmenta
Mehr über Roman Kmenta:
Mag. Roman Kmenta ist als Keynote Speaker und Redner in international tätig. Er berät Unternehmen und Unternehmer zu den Themen Verkaufs- und Marketingstrategien für höhere Preise, Honorare und Deckungsbeiträge.
6 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort
Ist das Einkommen denn das wichtigste Kriterium bei der Entscheidung selbstständig vs. angestellt? Ich kenne viele Leute, denen es eher „ums Prinzip“ geht als, um das, was sie am Ende verdienen. Das ist jedenfalls das, was sie vermitteln. Zum Teil kann das natürlich die Rationalisierung ihres gescheiterten Traums sein.
In dem Bereich mit dem hohen Einkommen (4000€ und mehr) ist der Anteil der Selbstständigen ja deutlich höher als der Anteil der Angestellten (ich beziehe mich hier auf den Graphen in dem Artikel). Wer wirklich viel Geld verdienen möchte, erreicht das am ehesten mit einer Selbstständigkeit. Ich vermute mal, dass jeder einzelne Selbstständige die Wahrscheinlichkeit, selbst in diesen Bereich zu kommen, deutlich überschätzt.
Irgendwie habe ich auch die Vermutung, dass in der Studie Äpfel mit Birnen verglichen wurden. Dass in dem Graphen sowohl Angestellte, als auch Selbstständige mit sehr niedrigem Einkommen auftauchen (deutlich weniger als 1000 €), deutet darauf hin, dass auch nicht-Vollzeit-Beschäftigte berücksichtigt wurden. Wenn das Verhältnis Vollzeit/Teilzeit in allen Gruppen (Angestellte, Solo-Selbstständige, Selbstständige mit Beschäftigten) nicht das gleiche ist, geht die Aussagekraft dieser Statistik leider gegen Null. Schade.
Hallo Jan,
ich stimmt dir voll zu, dass du bei der Gründung nicht nur auf das Einkommen schielen solltest. Wenn du Gründen als den cooleren Weg zum ersten Porsche siehst, kannst du mit Rocket Internet ein Copycat-Startup aus dem Boden stampfen und dich mega-hip fühlen. Für einige mag sich das auszahlen. Ich glaube nicht, dass diese Geschäftsmodelle besonders nachhaltig sind oder irgendetwas mit Unternehmertum zu tun haben.
Dennoch glaube ich, die Selbständigkeit sollte sich mittel- und langfristig auch finanziell auszahlen. Zum einen als Lohn für die Mühe und das Risiko. Zum anderen weil du etwas Nachhaltiges schaffen willst. Wenn sich dein Geschäft immer nur gerade so trägt, bist du bei der kleinsten Dürre-Periode weg vom Fenster.
Die Studie basiert auf dem Mikrozensus von 2009, bei dem 820 000 Personen in allen Einkommens- und Beschäftigungsverhältnissen erfasst wurden. Es sind also sowohl Minijobber und Teilzeitkräfte mit dabei als auch nebenberuflich Selbstständige. Insofern ist die Studie schon repräsentativ, weil auf beiden Seiten alle Arbeits-Formen beinhaltet sind. Es ist jedoch gut möglich, dass die Selbstständigen noch einen Tick besser weg kommen, wenn du nur Vollzeit-Arbeitnehmer mit Vollzeit-Unternehmern vergleichen würdest.
Liebe Grüße,
Matthias
Da ich es Thema von der Seite Riskoabsicherung und -beratung sehe – kennt ihr die durchschnittliche Alterspensionshöhe von Selbständigen in Österreich? Laut Statistik Austria bekamen 2013 selbständige Männer 1693.- EUR, Frauen 1049.- EUR – männliche Angestellte bekommen durchschnittlich 1946.- , Frauen 1186.-. Wenn darauf auf das durchschnittliche Einkommen geschlossen werden kann relativiert das die Grafik. Aber durch das neue Pensionskonto ist das leicht überprüfbar.
Gerne auch weitere Informationen
Fritz Stepan
Hallo Fritz,
ich weiß nicht, wie es in Österreich ist: Hier in Deutschland bist du als Selbstständiger raus aus der gesetzlichen Rente und musst privat vorsorgen. Der Staat hat sich für Selbstständige die optionale Rürup-Rente einfallen lassen, die jedoch kaum einer nutzt – weil sie sich in den seltensten Fällen lohnt. Ich würde mich nicht wundern, wenn in D. daher der Unterschied in der Rente noch höher ausfällt, solange man nicht auch die private Vorsorge erfasst. Was aber ziemlich schwierig sein dürfte.
Liebe Grüße,
Matthias
Hi Roman,
ich hatte tatsächlich in den ersten beiden Jahren meiner Gründung weniger als der heutige „Hartz IV-Satz“,
aber eine Menge fun und vor allem wieder Lust am Leben und an meiner Leistung. Das ist jetzt 15 Jahre her und mittlerweile begleite ich auch viele Menschen in die eigene Existenz. Ich glaube, dass tatsächlich viele das „sichere Gehalt“ der Festanstellung als „Schmerzensgeld“ sehen und sich dann mit dem was sie wirklich machen wollen „erlösen“. Oft spielt das Geld eher eine „untergeordnete Rolle“, immer mit der Prämisse, davon natürlich auch leben zu können.
Wem es nur ums Geld geht, der hat es mit dem sicheren Arbeitsplatz meist leichter, da ran zu kommen. Ein bisschen Idealismus dürfte daher in (fast) jedem Gründer stecken.
Schönen Abend, Matthias