Es stinkt im Manam. Irgendwie undefinierbar nach Fett- und Öl – eigentlich unerträglich. Die niedrigen Hocker sind viel zu klein und unbequem. Der Nachbar sitzt einem fast auf dem Schoß, so eng ist es. Die Bedienung ist ruppig und unfreundlich. Noch dazu wartet man in der winzigen Thai-Küche oft eine halbe Stunde oder länger auf sein essen. Wenn man nach einer Stunde endlich wieder raus kommt, stinkt der ganze Körper nach Fett und Bratendunst, so dass man am liebsten sofort in voller Montur duschen möchte.
Eine schreckliche Customer Experience!?
So ein Kundenerlebnis kann in Deutschland niemals funktionieren!
Könnte man meinen. Aber ich liebe diesen Laden! Und viele andere tun es auch. Der Laden ist immer voll. Vor der Tür steht meist eine Traube von Menschen, die auf einen Platz warten oder Essen zum Mitnehmen bestellt haben.
Es macht Spaß, mit Fremden ins Gespräch zu kommen und nachzufragen, was der Nachbar Leckeres auf dem Teller hat. Das Essen ist immer frisch und schmeckt fantastisch. Und sobald man zur Tür hineinkommt, fühlt man sich, als wäre man gerade mitten nach Bangkok gebeamt worden. Sogar die scheußlichen Bilder passen großartig zur Atmosphäre.
Mit 110 % Authentizität haben die Frauen vom Manam aus einem 12 qm Loch eine Goldgrube gemacht. Und eine großartige Customer Experience geschaffen.
Die Bedeutung der Customer Experience
Die Customer Experience, also das Kundenerlebnis, spiegelt den Markenkern eines Unternehmens, bzw. einer Marke, wider. Du kannst dir tolle Leitbilder und große Werte auf die Fahnen schreiben und das beste Marketing der Welt betreiben. Aber das wird kaum Einfluss auf deine Marke haben.
Das Herz deiner Marke ist das, was der Kunde erlebt. Die Geschichten, Ereignisse und Gefühle, die ihm widerfahren, wenn er mit deinem Unternehmen in Kontakt kommt. Das sind auch die Dinge, die weitererzählt werden. Nicht deine Werbe-Botschaft, sondern das, was er selbst erfahren hat.
Besondere Kundenerlebnisse werden geteilt
Und die Kunden erzählen ihre Erlebnisse weiter. Wenn sie außergewöhnlich gut und anders sind, wie das Beispiel vom Manam. Und noch häufiger, wenn sie enttäuschend waren:
Es ist bereits fünf Jahre her, dass ich mir ein neues Auto gekauft habe. Unter anderem war ich dafür bei einem Aktionstag eines großen Münchner Autohauses. Natürlich war es voll und ich habe geduldig über eine Stunde gewartet, bis ein Verkäufer Zeit für mich hatte. Als ich dann endlich einen Termin bei einem Verkäufer hatte, der mich vollkommen uninteressiert und herablassend abgekanzelt hat, habe ich mir geschworen, nie mehr einen Fuß in den Laden zu setzen. Und obwohl es schon fünf Jahre her ist, erzähle ich die Geschichte bis heute, wenn das Gespräch auf die Marke kommt.
Ein einziges schlechtes Kundenerlebnis kann heutzutage extremen Schaden anrichten, wenn es in den sozialen Netzwerken die Runde macht. Dazu muss man kein Blogger sein. Aber ein Leser hat mich darauf hingewiesen, dass ich auf Angstmache verzichten und lieber Positives herausstreichen soll. Recht hat er!
Was eine großartige Customer Experience ausmacht
Besondere Kundenerlebnisse benötigen drei Zutaten:
1. Emotionale Tonalität
Die Tonalität ist die Energie, die in dem Kundenerlebnis steckt. Es geht darum, das Erlebnis mit bestimmten Gefühlen anzureichern, die die Werte deiner Marke widerspiegeln. Klingt verkopft, ist aber eigentlich nicht kompliziert:
Wenn deine Marke für dein reines ökologisches Gewissen steht, reicht es nicht, das in eine Werbebotschaft zu verpacken. Der Kunde muss es spüren: Wenn er in deinem Geschäft ist und ihn natürliche Materialien und Gerüche empfangen. Wenn deine Verkäufer ihm die Geschichten erzählen, die hinter der Produktion stecken. Wenn mit jedem Kauf etwas Gutes für die Umwelt getan wird.
2. Einen ganzheitlichen Ansatz
Dieser Ansatz sollte sich entsprechend durch alle Bereiche deines Unternehmens ziehen. Alle Unternehmensbereiche müssen sich dem gleichen Leitbild unterstellen und die Botschaft stärken.
Stell dir vor, der Kunde von oben kauft bei dir, weil er mit seiner Wahl etwas Gutes für die Umwelt tun möchte. Doch dann schickst du ihm das Produkt in einer überdimensionierten Plastikbox. Oder noch schlimmer: Dein Name ist Martin Winterkorn, und du hast deinem umweltbewussten Kunden einen deiner besonders „sauberen“ Diesel verkauft. Der gute Eindruck ist dahin, der Image-Schaden groß.
3. Liebe zum Detail
Die dritte Zutat ist die Liebe zum Detail. Es sind oft die Kleinigkeiten, die ein besonderes Erlebnis ausmachen. Deine Suche danach, wie du deinen Kunden noch mehr Glück und Freude bei ihrer Customer Experience schenken kannst, sollte niemals enden.
Wertschätzung ist für die meisten Kunden noch immer ein besonders kostbares Gut. “Geiz ist geil” hat sich schon längst abgenutzt. Kunden belohnen es, wenn sie merken, dass sich da jemand für sie Mühe gemacht hat. Sei es durch einen Preisaufschlag, den sie bereit sind zu zahlen. Oder indem sie ihr Kundenerlebnis teilen, wie dieses des Online-Modeshops Trunk Club:
Das Video wurde bereits über 100.000 Mal angesehen, und es gibt fast 5.000 ähnlicher Videos für dieselbe Marke auf Youtube. Wie viele Menschen würden sich wohl dafür interessieren, wenn die Klamotten in einer rein zweckmäßigen Verpackung geliefert würden, wie das bei den meisten Online-Händlern der Fall ist?
Die Customer Experience ist die Marke
Mehr als das Logo, die Farben oder das Corporate Design prägen sich bei deinen Kunden die Erlebnisse ein, die du deinem Kunden schenkst. Das Corporate Design dient nur dazu, diese Erlebnisse in der Tonalität zu stützen und ermöglicht die Wiedererkennung deiner Marke. (Alle Artikel über Markenbildung findest du hier)
Wichtige Faktoren zwar, aber nicht entscheidend.
Witzigerweise war es auch wieder das Manam, das diese Lektion eindrucksvoll bewiesen hat. Im August ist der Laden leider umgezogen. An dem kleinen Original-Standort gibt es nun nur noch Suppen und Salate.
Gekocht wird nun in einer Kellerbar am Rosenheimer Platz – eigentlich eine Bar im New York Style, neuerdings mit frischer Thai-Küche. Eine etwas seltsame Kombination, dass sich die beiden zusammen getan haben. Noch dazu ist der Eingang in einem Hofdurchgang versteckt und kaum zu finden.
Doch die Frauen vom Manam haben einfach eine kleine Tafel auf den Platz gestellt und mit Kreide drauf geschrieben: Manam —>
Nicht einmal das Logo haben sie dort abgebildet. Aber das Manam ist im Viertel längst zur Marke geworden und die Menschen holen sich ihr Essen jetzt einfach hier. Das Kreideschild erfüllt seinen Zweck.
Leider ist die Atmosphäre in der Bar nicht mehr jene, welche sie mal war. Zwar gibt es jetzt viel mehr Platz, und die Mitarbeiterinnen sind nicht mehr gestresst und sogar zu Scherzen aufgelegt. Doch es ist auch ein Stück Thailand verloren gegangen. Ich bin gespannt, wie sich das auf den Erfolg und auf die Marke auswirken wird. (Die Bewertungen bei TripAdvisor haben durch den Umzug bereits gelitten.)
Aber was die Damen sich aufgebaut haben, davor kann ich nur den Hut ziehen. Und ich glaube, sie lassen sich nicht aufhalten und übernehmen am Ende vielleicht einfach die ganze Bar. Um noch ein größeres Stück Thailand nach München zu holen. Ich hoffe es zumindest!
Welche besonderen Erlebnisse hast du erlebt? Ich freue mich auf deine Geschichten – gute wie schlechte!
Lass uns die Welt verändern!
Du möchtest nicht nur Unternehmer sein, sondern etwas Nachhaltiges aufbauen? Eine Marke schaffen? Die Welt verändern? Dann hol dir jede Woche frische Inspiration in deine Mailbox:
Titelbild: Wok Fire von Tony Webster (CC BY 2.0)