Nein sagen! Einen Kunden ablehnen und vielleicht sogar zur Konkurrenz schicken. Das klingt für Unternehmensgründer nach wirtschaftlichem Harakiri. Oder zumindest unvorstellbarem Luxus. Letztlich geht es aber um die strategische Frage, welche Zielgruppe man ansprechen will – und wer als Konsequenz daraus als Kunde nicht in Frage kommt.
Ich kann mich noch gut an eine Diskussion in meiner Familie vor etwa einem Jahr erinnern. Ich steckte damals noch mitten in der Planung meiner Selbständigkeit und habe mit meinem Vater und meiner Schwester über meine künftige Zielgruppe diskutiert. Da beide erfolgreiche Unternehmer sind, stand ich mit meinen bis dato nur kleinen Projekten ein bisschen wie ein Schuljunge da, der noch grün hinter den Ohren ist.
Was ja irgendwie stimmt … auch ich lerne jeden Tag neues.
Jedenfalls wurde hitzig diskutiert, ob meine Positionierung erfolgversprechend ist oder nicht. Ich hatte mich nämlich für eine extrem spitze Positionierung entschieden: Unternehmensgründer mit großen Ambitionen und hohem Anspruch, die ihr Marketing professionell und effektiv gestalten wollen.
Meine Rolle in der Diskussion war das Nein sagen
Nein sagen zu einer größeren Zielgruppe. Unternehmensgründer lagen mir schon in meiner Agenturarbeit am Herzen und haben mir am meisten Freude bereitet. Außerdem wusste ich, dass ich als Einzelunternehmer für Gründer ein viel besserer Partner bin als die meisten Agenturen.
Nein sagen zu einem größeren Angebot. Ich wollte mein Design effizient und transparent verkaufen und nicht meine Zeit für zahllose individuelle Angebote verschwenden. Deshalb bin ich auch nur mit drei fertigen Corporate-Design-Paketen an den Start gegangen. Meine aktuellen Angebote findest du hier.
Aber ich wusste: Niemand interessiert sich für einen Leistungskatalog mit tausend verschiedenen Positionen, wie ihn 99 % aller Agenturen auf ihrer Website anbieten: „Corporate Design, Anzeigen, Mailings, Kataloge, Websites, Bannerwerbung, Messestände, Filme, Social Media, … machen wir alles. Apps? Klar machen wir Apps! Wenn Sie wollen, waschen wir auch gleich ihr Auto!“
Nein sagen zu einem verwässerten Profil. Nein zu einem Bauchladen-Angebot. Nein zu einer Zielgruppe, in der das Wort „alle“ vorkommt. Keine Versuche, es möglichst jedem recht zu machen.
Nein sagen ist eine strategische Entscheidung
Im meiner Zeit als Angestellter habe ich zu oft erlebt, wie gute Ideen verwässert wurden, weil der Kunde eine eierlegende Wollmilchsau draus machen wollte. Deshalb habe ich nicht auf den Rat meiner Familie gehört, mein Angebot und meine Zielgruppe zu erweitern. Ich weiß, ich habe meinem Vater damit (bis heute) die eine oder andere Sorgenfalte bereitet. Das tut mir leid. Aber ich wollte, dass Anspruch, Versprechen und Angebot bei mir aus einem Guss sind. Und meine Strategie ist aufgegangen:
Seit ich meinen Blog am 8.8.2014 gestartet habe, waren 5.417 individuelle Nutzer auf meiner Website. Das ist an sich viel zu wenig für einen Blog, aber ich musste erst lernen, wie man einen Blog vermarktet. Ich dachte am Anfang, ich müsse mindestens 10 Beiträge schreiben, bevor der Blog überhaupt von anderen Bloggern und Lesern ernst genommen wird. Rückblickend nenne ich das überzogenen Perfektionismus.
Trotzdem bin ich zufrieden. Ich habe nämlich genau die Menschen erreicht, die ich gesucht habe. Und genau darum geht es: Es ist völlig egal, ob du am Anfang 10, 1.000 oder 100.000 Personen erreichst. Wichtig ist, dass du genau die Menschen erreichst und für dich gewinnst, auf die es ankommt.
Damit dir das auch gelingt, musst du auch den Mut haben, Nein zu sagen. Hier sind die neun Mutmacher dafür:
Nein sagen schärft dein Profil
Ich glaube, es allen recht machen zu wollen, ist einer der häufigsten und größten Fehler von Unternehmen. Anstatt sich auf ihre Kernkompetenzen und ihre Wunschkunden zu konzentrieren, bieten sie lieber einen Bauchladen an Angeboten für alles und jeden an.
Viel hilft viel. Und so kann sich ja jeder das aussuchen, was er braucht.
Fehler! Riesenfehler!
Deine Kunden interessieren sich nicht dafür, welche einzelnen Leistungen du ihnen anbieten kannst. Sie suchen eine Lösung für ein Problem – und denjenigen, der ihnen das am effektivsten abnimmt. Deine Aufgabe ist, deine Wunschkunden davon zu überzeugen, dass du der ideale Partner für ihr Problem bist.
Das geht nicht mit einem Bauchladen. Das gelingt nur, wenn du dich spezialisierst: auf das Problem, das du am besten lösen kannst und die Kunden, die davon am meisten profitieren. Indem du zeigst, warum deine Lösung funktioniert, was dich zum Experten darin macht und welche Werte du mit deinen Kunden teilst, gewinnst du ein überzeugendes Profil. Sag Nein zu allem, was deine Geschichte verwässert und nicht dazugehört.
Nein sagen grenzt dich vom Wettbewerb ab
Die meisten Unternehmer fürchten Konkurrenz – denn die könnte ihnen ja die Kunden klauen. Dieses Problem musst du aber besonders dann fürchten, wenn dein Angebot sehr breit und unspezifisch aufgebaut ist.
Dann fehlen dir nämlich die Argumente, warum dein Bauchladen besser sein sollte als der deiner Wettbewerber. Klar kannst du deinen Kunden mehr Qualität, Nachhaltigkeit, Engagement und Ehrerbietung versprechen. Das versprechen jedoch alle in ihren Werbebotschaften. Deine Kunden wollen aber wissen:
Warum bist du anders? Warum bist du besser?
Nein sagen bringt dir die Kunden, die du willst
Stell dir vor, du bekommst einen Auftrag. Der Kunde ist von Anfang an glücklich, dich gefunden zu haben, weil er schon lange nach deiner Lösung gesucht hat. Ihr versteht euch hervorragend und werdet euch ohne lange Verhandlungen schnell einig. Voller Elan machst du dich an die Arbeit und lieferst in kurzer Zeit ein hervorragendes Ergebnis, weil die Aufgabe dir genau liegt. Der Kunde ist begeistert und empfiehlt dich mit Freude weiter.
Die meisten Unternehmen haben nur sehr wenige solcher Kunden. Weil sie nicht Nein sagen wollen zu den Kunden und Aufträgen, die ihnen nicht so gut liegen. Sie haben Angst, dass es sonst nicht reicht. Jeder Auftrag zählt.
Ja, gerade als Gründer ist man am Anfang froh um jeden Euro. Doch diese Strategie ist nicht besonders langfristig gedacht: Statt jedem Euro hinterherzulaufen, ist es viel effektiver, sich von Anfang an auf seine Wunschkunden konzentrieren und sich perfekt auf deren Bedürfnisse einzustellen.
Wende dich von Anfang an ganz speziell an die Kunden, die du haben willst. Sprich ihre Sprache und löse ihre Probleme. Dann werden sie auch zu dir kommen. Du wirst trotzdem auch Anfragen bekommen, die außerhalb deines Kernbereichs liegen. Wenn es für dich sinnvoll ist, kannst du auch diese Aufträge annehmen. Oder du sagst Nein und empfiehlst einen „Konkurrenten“, der das besser kann als du.
Nein sagen macht dich glaubwürdig
Würdest du mir glauben, dass ich neben geilem Design auch noch genauso gut SEO machen, Apps programmieren, 3D-Modelle bauen, Filme schneiden, fotografieren und Salsa tanzen kann?
Nein? Ich habe das aber alles schon gemacht, bis auf Salsa tanzen auch beruflich. Aber die Betonung liegt auf nicht genauso gut. Wer von sich behauptet, dass er alles kann, kann in der Regel von allem ein bisschen, aber nichts so richtig gut. Das wissen auch die Kunden und vertrauen mehr dem Rat eines Spezialisten als eines Generalisten.
Dabei ist es völlig unerheblich, welche Qualifikationen überhaupt dahinterstecken. Für einen Kunden, der dich nicht kennt, zählt allein die Wahrnehmung. Deshalb sollte jeder nur das bewerben, was er auch wirklich gut kann. Mit jedem Angebot, was darüber hinaus dazukommt, wertest du deine Kompetenz ab.
Nein sagen ermöglicht dir höhere Preise
Ein Spezialist schafft ein besseres Ergebnis in kürzerer Zeit. Zumindest glaubt der Kunde das.
Deshalb kannst du als Spezialist einen deutlich höheren Preis aufrufen als dein Wettbewerber mit dem Bauchladen-Angebot. Natürlich solltest du die versprochene Leistung dann auch liefern können. Bei der Preisverhandlung zählt aber auch hier nur die Wahrnehmung deines Kunden, solange er deine Arbeit nicht aus Erfahrung kennt.
Zudem bist du in der Lage, auf eine sorgfältig ausgewählte Zielgruppe viel besser einzugehen als auf eine breite. Du kennst ihre individuellen Herausforderungen und kannst Lösungen dafür entwickeln, die deine Kunden woanders nicht finden. Das verschafft dir einen Verkaufsvorteil und damit Mehrwert: Deine Lösungen sind mehr wert.
Nein sagen motiviert
Sicher hast du auch schon sehr unangenehme Erfahrungen mit Kunden gemacht: Das beginnt oft schon damit, dass sie von vornherein den Preis drücken wollen. Und geht damit weiter, dass du ihnen ständig hinterher sein musst, weil sie dir nicht alle Informationen liefern, die du brauchst. Schließlich quälst du dich durch den Auftrag und musst am Schluss noch auf tausend Sonderwünsche eingehen, die vorher nicht abgesprochen waren. Unbezahlt natürlich. Und trotzdem ist der Kunde am Ende unzufrieden.
Und du auch!
Das muss nicht heißen, dass der Kunde generell nichts taugt. Er hat einfach nicht zu dir gepasst. Sag von vornherein Nein zu solchen Kunden. Wenn du dich ausschließlich auf deine Wunschkunden konzentrierst, hast du solche Erlebnisse viel seltener. Das motiviert dich und dein Team, was zu mehr Leistung und besseren Ergebnissen führt. In jeder Hinsicht.
Nein sagen spart Ressourcen
Klar, Problem-Kunden binden ungeheure Ressourcen, bis der Auftrag endlich erledigt ist. Aber nicht nur das. Wenn du ein genaues Bild davon hast, wen du als Kunden gewinnen willst, fällt vieles leichter:
- Du brauchst keine 15 Broschüren, 20 Landingpages und 50 Messebesuche im Jahr, um jede deiner Leistungen zu präsentieren. Ein kleiner, aber richtig feiner Auftritt genügt, um deine Wunschkunden von deiner Lösung zu überzeugen.
- Du musst auch nicht in 100 Kanälen Werbung machen. Du kannst dich auf die Medien konzentrieren, mit denen du deine Wunschkunden am effektivsten erreichst.
- Fortbildungen sind weiterhin notwendig. Aber nicht in alle Richtungen gleichzeitig, sondern viel tiefer in die Themen, die relevant für deinen Erfolg sind.
- Statt dich jedes Mal in neue Probleme einzuarbeiten und neue Lösungen zu entwickeln, kannst du Standards für wiederkehrende Herausforderungen einführen. Das spart dir viel Zeit, ermöglicht bessere und bewährte Lösungen und erhöht deine Gewinnmarge.
Nein sagen hilft dir zu fokussieren
Es ist eine strategische Entscheidung, welche Kunden du haben willst und welche nicht. Je genauer deine Vorstellungen sind, desto klarer zeichnet sich die Richtung ab, in die du dein Unternehmen entwickeln willst.
Du hast nur begrenzte Ressourcen. Umso wichtiger ist es, dass du sie gezielt da einsetzt, wo du die größte Wirkung erzielen kannst. Im Geschäftsleben ergeben sich ständig neue Möglichkeiten und Chancen. Manche können sehr verlockend sein, dich aber in eine ganz andere Richtung führen. Um das bewerten zu können, musst du auch wissen, wann es Zeit ist, Nein zu sagen.
Nein sagen bedeutet, eine langfristige Vision und ein Ziel zu haben. Ohne das eine oder andere Nein führt keine Strategie dorthin.
Sag niemals Ja zu einer Möglichkeit, nur weil du glaubst, dass es diese Chance nur einmal gibt.
Behindert Nein sagen nicht mein Wachstum?
Nein! Es ist extrem schwer bis unmöglich mit einem breiten Angebot einen Massenmarkt zu erobern, beziehungsweise überhaupt erst einzudringen. Sehr viel einfacher ist es, aus einer Nische heraus zu wachsen und seine Zielgruppe strategisch weiterzuentwickeln.
Wohin du dein Unternehmen von dort entwickeln willst, das steht dir völlig offen. Jim Cook, der CEO von Apple, bringt es auf den Punkt:
We are the most focused company that I know of, or have read of, or have any knowledge of. We say no to good ideas every day. We say no to great ideas in order to keep the amount of things we focus on very small in number.
Ich weiß nicht, wie hoch deine Ambitionen sind. Selbst wenn du nicht vorhast, das nächste Apple zu gründen: Trau dich, Nein zu sagen. Es bringt dich schneller dorthin, wo du hin willst.
Lass uns die Welt verändern!
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5 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort
Hallo Matthias,
vielen Dank für diesen tollen Beitrag, der mich sehr zum Nachdenken gebracht hat….
Ich werde meine Zielgruppe noch genauer definieren und mich noch spitzer positionieren…
Danke dass Du Deinen Beitrag dazu geleistet hast – unwissentlich aber doch deutlich.
Herzliche Grüße und l(i)ebe dein starkes ICH.
Sabine Sießmayr
Hallo Sabine,
danke dir – ich wünsche dir viel Erfolg mit der neuen Strategie! Und wenn es soweit ist: Lass uns wissen, welche die Veränderungen für dich funktioniert haben.
Liebe Grüße,
Matthias
I love it.
Thx!
Henriette
sehr guter Artikel….nur wer sich klar positioniert kann im breiten Feld erkannt werden, dazu gehört das Nein Sagen, dass man alles macht oder machen kann.
LG
Danke! 🙂