Maximale Kundenorientierung schreiben sich fast alle Unternehmen ganz groß auf die Fahnen. Der Kunde soll König sein! Mal abgesehen davon, dass dieser Anspruch nur selten erfüllt wird und Kunden eher in die Wüste geschickt als auf den Servicethron gehoben werden, ist dieser Zustand auch gar nicht wünschenswert. Zu viel Kundenorientierung schadet dir nämlich mehr als sie nutzt.
Versteh mich nicht falsch: Natürlich ist die Zufriedenheit deiner Kunden wichtig. Aber auf einen Tyrannen als Kunden kannst du gut verzichten.
Wenn Kunden zu Tyrannen werden
Wenn du bereits ein eigenes Business betreibst oder zumindest Berufserfahrung als Angestellter gesammelt hast, kennst du auch diese Sorte Kunden:
Kunden, die direkt der Hölle entstiegen sind.
Üblicherweise zeichnen sie sich durch eine Kombination folgender Merkmale aus:
- Sie haben mal ein YouTube-Video gesehen und meinen alles besser zu wissen
- Sie haben intensiv die Preise verglichen und verlangen von dir das beste Angebot
- Sie verhandeln dich dann noch weiter runter (hier sind meine Tipps für die Preisverhandlung)
- Sie erwarten dennoch jede Menge Zusatzleistungen (am liebsten ohne vorherige Absprache)
- Sie versprechen dir jede Menge hochgezahlte Aufträge für die Zukunft, wenn du jetzt mitmachst
- Sie geben dir nur ein unvollständiges Projektbriefing
- Sie liefern dir nicht oder nur mangelhaft das nötige Ausgangsmaterial für den Auftrag
- Sie machen dir ständig Zeitdruck, lassen sich aber selbst unendlich viel Zeit, wenn du auf ihr Feedback angewiesen bist
- Sie möchten für jede Kleinigkeit einen persönlichen Termin vereinbaren
- Sie sind chronisch mit deiner Arbeit unzufrieden, wissen aber selbst nicht, was sie wollen
- Sie erklären großzügig den Auftrag für abgeschlossen, nachdem du etwa das dreifache geleistet hast, was vereinbart war
- Sie klopfen sich gerne selbst auf die Schulter, dass trotz aller (von dir verursachten) Schwierigkeiten doch noch ein brauchbares Ergebnis bei rausgekommen ist
- Sie zahlen erst nach der dritten Aufforderung, nur einen Teil deiner Arbeit oder mitunter auch gar nicht.
Ganz ehrlich, es hat weh getan, all diese Punkte aufzuschreiben. Ganz einfach, weil ich all diese Erfahrungen in der Vergangenheit schon selbst gemacht habe. Zum Glück nur relativ selten – aber auch ich musste lernen, solche Kunden von mir und meinem Business fern zu halten.
Ist das noch Kundenorientierung oder Unterwerfung?
Doch ich kenne Unternehmer, die ziehen solche Kunden regelmäßig an. Oder schlimmer: Sie erziehen Kunden zu solchem Verhalten. In der Werbebranche ist das gang und gäbe. Es gibt sogar eigene Websites auf denen Designer (und andere Selbständige) ihre Erlebnisse mit Kunden aus der Hölle zum Besten geben.
Der Galgenhumor ist gut gemeint und hilft vielleicht, sich nicht so allein zu fühlen. Doch damit zementierst du deine Glaubenssätze, dass so etwas normal ist und fühlst dich weiter in der Opferrolle.
Wenn du immer wieder mit solchen Kunden zu tun hast, leidest du jedoch an einer Krankheit. Ich nenne sie das Unterwerfungs-Syndrom.
Die Krankheit kann ausbrechen, wenn du etwas eigentlich positives wie Kundenorientierung an erste Stelle in deinem Business stellst. Nämlich dann, wenn du nicht nur eine Dienstleistung erbringst, sondern dich zum Diener machst – und dem Kunden keine Grenzen aufzeigst.
Wenn Kunden das mitbekommen, nutzen sie deine Schwäche auch gerne aus. Oft nicht aus Bösartigkeit, sondern einfach weil du es erlaubst. Davon wird jedoch nicht nur dein Business finanziell krank, sondern auch du – psychisch wie körperlich.
Die Ursachen für das Unterwerfungs-Syndrom
Wenn dich deine Kunden ausnutzen, liegt die Schuld nicht beim Kunden. Du bist es, der sich unterwirft und all das mit sich machen lässt. Das Unterwerfungs-Syndrom ist tief in deinen Glaubenssätzen verankert.
Einfach gesagt ist es der Glaube, dass gute Kunden schwer zu bekommen sind.
Das ist ein fataler Irrglaube, der aber leider weit verbreitet ist. Viele Unternehmer bringen jedoch viel Leid über sich, weil sie diesen Glaubenssatz tief verankert haben. Denn er führt zu unternehmerisch unklugen Entscheidungen mit denen sie das Gegenteil dessen bewirken, was sie eigentlich wollen. Diese Entscheidungen sind:
Schaffung eines möglichst breiten Angebots
Um möglichst viele Kunden gewinnen zu können setzen die meisten Unternehmen auf ein möglichst breites Angebot. Die Idee dahinter lautet: Wenn für jeden etwas dabei ist, bleibt auch mehr Geschäft hängen. Kundenorientierung wird dabei mißverstanden als „wir sind für alle da“.
Leider erreichst du mit dieser Strategie das Gegenteil: Die wirklich guten Kunden bevorzugen Spezialisten. Dort erhalten sie eine deutlich höhere Qualität für ihr spezifisches Problem. Frag dich selbst: würdest du für eine Herz-OP ins nächstgelegene Krankenhaus gehen oder lieber in die Spezialklinik, die nur solche Operationen durchführt?
(Lies dazu meine Anleitung zum Anderssein)
Wettbewerb über den Preis
Ein breites Angebot führt direkt zum zweiten Problem. Wenn du deine Kunden nicht von deiner Qualität überzeugen kannst, was bleibt dann noch? Richtig: der Wettbewerb über den Preis.
Denn je weniger spezialisiert du bist, desto mehr Anbieter buhlen mit ähnlicher Qualität um die selben Kunden. Ganz einfach, weil die Hürden nicht so hoch sind, diese Qualität zu schaffen. Kunden, die es sich leisten können, bevorzugen Spezialisten. Daher liefern sich viele umspezialisierte Anbieter einen Preiskampf um die weniger kaufkräftigen Kunden, die gerne jeden Rabatt in Anspruch nehmen.
Kundenorientierung bis zur Selbstaufgabe
Wenn die ersten beiden Punkte auf dich zutreffen, bestärken sie dich in dem Glauben, dass gute Kunden Mangelware sind. Denn sie werden nur sehr selten den Weg zu dir finden.
Also stürzt du dich auf die Kunden, die du bekommen kannst und hofierst sie mit allen Mitteln. Das mündet rasch in die besagte Kundenorientierung bis zur Selbstaufgabe. Denn du hoffst, dass irgendwann der Durchbruch kommen wird. Es wird sich schon rumsprechen, welch gute Arbeit du lieferst. Das passiert auch: doch leider wirst du von preisbewussten Kunden an andere preisbewusste Kunden empfohlen. Ein Teufelskreis beginnt, in dem sich die „Kunden aus der Hölle“ die Klinke in die Hand geben.
Marketing auf allen Kanälen
Das Prinzip „viel hilft viel“ wird oft nicht nur auf das Angebot angewendet, sondern auch auf das Marketing. Da werden dann alle Kanäle bespielt, die irgendwie gehen. Hier noch eine Anzeige im Lokalblatt, da noch ein paar Posts in sozialen Netzwerken und vielleicht noch ein paar mehr Flyer gedruckt und verteilt?
Da das Budget eh schon knapp ist, wird hier entweder viel Zeit versenkt oder eben billig produziert. Besser wäre es, sich auf ein oder zwei gut laufende Kanäle zu fokussieren und die dafür richtig hochwertig zu bespielen. Doch auch dazu fehlt oft der Mut – beziehungsweise oftmals auch die Zeit, das eigene Tun zu hinterfragen.
Ergreifen jeder Gelegenheit
Letztendlich sind die meisten Unternehmen und Selbständigen froh um jeden Kunden, den sie gewinnen können. Einen Kunden abzulehnen können sich die meisten nicht leisten. Kundenorientierung wird zum Zwang.
Zumindest denken sie, dass sie es sich nicht leisten können. Doch auch hier wäre es sinnvoller, die schlechten Kunden konsequent zu feuern und die frei werdende Zeit darauf zu verwenden, gute Kunden zu gewinnen.
Wie Kundenorientierung richtig geht
Doch um diese Veränderungen durchführen zu können, musst du zunächst deine Glaubenssätze ändern. In Bezug auf die Kundenorientierung ist vor allem eine Erkenntnis essentiell:
Der Kunde sollte in deinem Unternehmen immer erst an dritter Stelle stehen!
An erster Stelle stehen du und dein Unternehmen
Denn du investierst deine Zeit und trägst das Risiko für eine Sache, an die du glaubst. Dieser Glaube ist das Leitmotiv deines Unternehmens. Er sollte dein Wegweiser sein. Wenn dein Leitmotiv verloren geht, gerät auch dein Unternehmen auf Abwege.
Erinnere dich an deine Werte. Stehe für deine Prinzipien. Und lass sie dir von niemandem ausreden oder nehmen. Schlechte Kunden versuchen das. Gute Kunden kommen hingegen zu dir, weil du für deine Werte einstehst.
An zweiter Stelle stehen deine Mitarbeiter
Das Wohl deiner Mitarbeiter ist wichtiger als das Wohl der Kunden. Sorgst du gut für sie und schützt sie auch vor unverschämten Kundenanfragen, die gegen deine Werte verstoßen, werden sie zufriedener und produktiver arbeiten können. Und das nutzt deinen Kunden mehr als bedingungslose Kundenorientierung.
Deine Kunden stehen an dritter Stelle
Geht es deinem Unternehmen gut, kannst du dich auch gut um deine Kunden kümmern. Und zwar um die Kunden, die zu dir passen und die du ausgesucht hast. Dann ist Kundenorientierung wirklich etwas wert und nicht nur eine Form, sich selbst auszubeuten.
Überdenke deine Glaubenssätze
Hast du dich von diesem Artikel angesprochen gefühlt? Lebst auch du Kundenorientierung in einem Maß aus, das nicht mehr gut für dein Unternehmen ist?
Dann überprüfe deine Glaubenssätze, ob nicht auch du dem Irrglauben aufsitzt, dass gute Kunden Mangelware sind.
Es gibt mehr als genug gute Kunden. Es gibt jedoch einen Mangel an Unternehmen, die für etwas stehen und dadurch etwas wertvolles schaffen. Sei eines dieser Unternehmen!
Bist du Gründer und fragst dich, wie du dort hin gelangst? Möchtest du ein Business aufbauen, das aus der Masse heraus sticht? Dann empfehle ich dir meinen PDF-Kurs How To Start Smart. Hier führe ich dich Schritt für Schritt von der Geschäftsidee bis zum erfolgreichen Start deines Business – mit dem nicht nur deine Kunden glücklich werden, sondern auch du.
Bist du bereits Unternehmer und kämpfst noch mit schlechten Kunden? Dann helfe ich dir gerne, dein Unternehmen neu auszurichten und die richtigen Kunden anzuziehen.
Und natürlich freue ich mich wie immer auf deinen Kommentar oder wenn du meinen Beitrag mit anderen teilst. Denn meine Mission ist, mehr Wert in die Welt zu bringen und zu schaffen.
Lass uns die Welt verändern!
2 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort
In diesem Artikel habe ich mich zum Teil als Unternehmer wiedererkannt ! Ja, das stimmt alles, was Sie schreiben und aufzeigen.
Gestern hatte ich einen Kundentyp, den man als Kleinkind bezeichnen könnte. Früher hätte ich mir die Beine ausgerissen, um solche Kunden zufrieden zu stellen.
Heute mache ich klare Ansagen, wei z.B. „Bitte kaufen Sie künftig woanders“ oder:
„Sie benehmen sich irrational, so kann ich Sie nicht ernst nehmen, Ihr Problem nicht lösen“.
Es war ein Kunde, der wohl unter einem Vorwand sein Geld zurück wollte, dies aber nicht kommunizierte und einen erfundenen Qualitätsmangel vorschob, der nicht vorhanden war.
Das ist kindisch, denn der Kunde hat ja ein Rückgaberecht, auch ohne Nennung von Gründen.
Leider werden die Menschen insgesamt immer dümmer, immer ich-bezogener und können nicht mehr über den Tellerrand schauen. Selbständig zu sein in der heutigen Zeit oder auch nur angestellt im Kundenservice zu arbeiten bedeutet sehr oft, sich mit Menschen zu konfrontieren, die einer Psychatrie entsprungen sein könnten. Da kommt man mit Freundlichkeit nicht weit, mit Logik nicht weit, mit Lösungslaune nicht weit, mit guten Angeboten nicht, da kann man nur die Reißleine ziehen. Ich habe übrigens schon öfters festgestellt, wenn ich Grenzen setze nach dem Motto: „Sie können sich aufführen, wie Sie wollen, aber nicht bei mir!“ ziehen sie beleidigt ab und kommen eines Tages wieder durch die Hintertür über einen Bekannten, der dann bei mir bestellt.
Man darf keine Angst haben, in einer gerechten Sache auch mal jemand auf die Füsse zu treten.
Das schafft Respekt und man hat selber nicht soviel unnötige Arbeit mit Wichtigtuern, Narzissten, Psychopathen, Neurotikern, frustrierte Hausfrauen usw. ☺
Habe wirklich die Erfahrung gemacht, wenn 1 Kunde wegbricht, warum auch immer, 2 neue sofort nachkommen. Es scheint eine Gesetzmässigkeit zu geben, was wir auch bei Pflanzen in der Natur sehen können. Wenn ein Blatt mit Stengel abbricht, wächst aus diesem Vegetationspunkt zwei neue Stengel. So steuert die Pflanze dem Verlust entgegen, weil ein neuer möglicher Verlust mathematisch gleich mit eingeplant wird bzw. der Bauplan eine solche Vorgehensweise vorsieht. Beste Grüße
Hallo Heidrun,
vielen Dank für das Teilen dieser umfangreichen Erfahrungen. Ich habe zum Glück nur nette Kunden – meine Frau arbeitet jedoch im Kundenservice eines großen Konzerns und kann da Geschichten erzählen, die vollkommen unbegreiflich sind. Als Selbständiger oder kleines Unternehmen kann man sich seine Kunden zum Glück besser aussuchen. Man muss es sogar!
Die Metapher mit der Pflanze ist mir neu, finde ich aber ein sehr schönes Bild! Das werde ich mir gerne merken.
Viele Grüße,
Matthias